Die Löwen-Apotheke in Bergen

Über das Jahr der ersten Gründung einer Apotheke in Bergen liegen bislang keine Urkunden oder Hinweise vor, aber es ist ein altes Buch erhalten: Das “Giftscheinbuch” der Apotheke Bergen. Dieses gewichtige Buch (Format ca.20x24 cm) wurde von 1816 bis 1976 geführt.

Zu den Aufgaben des Apothekers gehörte bis in das 20. Jahrhundert auch der Verkauf von Giften (z.B. Arsenik, Cyankali, Strychnin, Giftscheinbuch kleinCobaltum) für die Bekämpfung von Schädlingen.

Die abgegebenen Mengen wurden mit dem Namen des Empfängers und dem beabsichtigten Verwendungszweck genau im “Giftscheinbuch” vermerkt. Der erste Eintrag erfolgte am 8. Oktober 1816: “Es ist von dem Bürger und Leinenwebermeister Christoph Kötke hierselbst für 2g ( 2 Gramm) Arsenick zur Vertilgung der Ratten durch ihn selbst abgeholt.”

Als häufigster Verwendungszweck wurde die Bekämpfung (Tötung) von Ratten und Mäusen, von Ungeziefer (Fliegen, Wanzen, Grillen) angegeben. Auch Füchse, Katzen und Krähen, sowie Feld- und Wühlmäuse wurden genannt. In späterer Zeit wurden auch Mittel zur Bekämpfung von Pflanzenschädlingen eingetragen, darunter auch das inzwischen verbotene Gift E605 forte. Selbst für Haustiere wurden gelegentlich “Heilmittel” aus der Apotheke geholt. Eintrag am 17. Oktober 1818: “Erhielt persönlich der Schmiedemeister Johann Heinrich Tidke hierselbst zur Beizung eines Pferdewunds für 2g Arsenick.”

Historische Apotheken-Waage

Das Giftscheinbuch wurde beim großen Brand in Bergen am 2. Mai 1840 gerettet. Danach erfolgte der nächste Eintrag erst am 1. August 1840 (Verkauf eines Fliegensteins). Unter den 59 Wohnhäusern, die durch die Feuersbrunst zerstört wurden, befand sich auch die Bergener Apotheke. In einer Liste der abgebrannten Häuser vom 6. Juli 1840 wird auch das Haus des Apothekers Christian Wilhelm Meyer genannt.

Vor dem Beginn der Eintragungen in das Giftscheinbuch im Jahr 1816 hat es anscheinend in Bergen noch keine Apotheke gegeben, denn am 25. Mai 1802 versuchte der Apotheker-Geselle Johann Ernst Christoph Böwing aus Vorsfelde eine Konzession zur Errichtung einer Apotheke in Bergen zu erlangen. Am 23.08.1802 teilte ihm das Amt Lüchow mit, “...dass das Königliche Staatsministerium nicht ratsam finden könne, an diesem nur aus 80 Feuerstellen bestehenden kleinen Orte die Anlage einer eigenen Apotheke, welche zum offenbaren Nachteil der wohleingerichteten Lüchower Apotheke gereichen würde, zu gestatten, folglich dem Grunde des Supplicanten nicht zu willfahren strebe.”

Historisches Alkoholmessgerät

Es bleibt offen, in welchem Jahr die erste Apotheke in Bergen eröffnet wurde. Vermutlich war der Apotheker Christian Wilhelm Meyer aus Bülitz (Sohn des Küsters und Lehrers Friedrich Wilhelm Meyer in Bülitz) der Gründer der Bergener Apotheke. Die Eröffnung erfolgte wahrscheinlich zwischen 1802 und 1816. 

Ob es wirklich noch keine Apotheke vor dieser Zeit in Bergen gab, konnte bislang nicht zweifelsfrei geklärt werden. Immerhin wurde im Kirchenbuch Bergen unter “Geburten” am 17. April 1708 eine “Marie Elisabeth” eingetragen, als deren Vater “Herr Johann Ditrich Müller, Apotheker in Bergen” genannt wird. Die weiteren Eintragungen unter dem gleichen Namen wurden nicht gefunden.

Nach dem Brand von 1840 wurde auf dem Grundstück der alten Apotheke vermutlich auch die jetzige Apotheke errichtet. Aus einer Liste geänderter Hausnummern geht hervor, dass die früheren Nummern 12 und 13 der heutigen Hausnummer der Breiten Straße 19 entsprechen. Demnach erfolgte einen Zusammenlegung der beiden Grundstücke für den Apothekenneubau. In den vergangenen Jahren stellte man bei Renovierungsarbeiten am Nebengebäude hinter der jetzigen Apotheke noch einige Brandspuren fest, die wahrscheinlich von der Feuersbrunst herrühren.

Die Aufzeichnungen im Giftscheinbuch mit den Namen und Wohnorten der Kunden lassen Rückschlüsse auf den Einzugsbereich der Apotheke zu: Die meisten Orte liegen in einem Radius von etwa 15km Entfernung zu Bergen, an den Rändern dieses Umkreises liegen: Polau im Norden und Dülseberg im Süden, im Westen Suhlendorf und im Osten Nauden. Wenige der genannten Orte sind weiter entfernt (z.B. Ahlum und Woltersdorf), möglicherweise waren einige Kunden auf der Durchreise.

Von 1816 bis heute waren 17 Apotheker in Bergen als Verwalter (V), Pächter (P) und als Besitzer (B) der Einrichtung tätig. Nachweislich führten die Apotheke:

    1. Christian Wilhelm Meyer (B) aus Bülitz, wahrscheinlich ab 1816
    2. Johann Friedrich Christian Busch (B)
    3. H. Wendenburg (V), Verfügung vom 28.12.1878
    4. Tobias Wilhelm Harms (V), Verfügung vom 15.06.1879
    5. Carl Jäger aus Schöningen (V,P), Verfügung vom 24.01.1880
    6. Sasse aus Dielingen (B), ab 01.10.1893
    7. von Senden aus Aurich (B), 01.04.1894
    8. Arnold Dähn aus Gehlsdorf/Mecklenburg (B), ab 01.10.1911
    9. Karl Gadewoltz (V,B), ab 01.10.1933
    10. Theodor Ohlandt aus Hamburg (B), ab 01.10.1939
    11. Waldemar Mittendorf (P), ab 01.07.1953
    12. Lore Kuthe (P), ab 30.06.1958
    13. Albrecht Blut (V), Vater der Lore Kuthe, ab 15.06.1961
    14. Ingeborg Nährlich (P,B), ab 01.01.1962
    15. Armin Benckert-Wischneski (P), ab 01.01.1985
    16. Dietmar Beisel (P), ab 01.10.1985
    17. Jörg Schemmann (P,B), ab 01.10.1989

Aerometer

Der Beruf des Apothekers entstand im Jahre 1241 durch den Erlass einer Medizinalordnung des Staufenkaisers Friedrich II., in der erstmals eine Trennung der Berufe von Arzt und Apotheker vorgeschrieben wurde. Seit der Antike waren Ärzte wie Hippokrates noch beides gleichzeitig gewesen: therapierender Arzt und Hersteller von Heilmitteln.

Im Mittelalter entstanden in Deutschland die ersten städtischen Apotheken, die mit Heilmitteln, Drogen (Wirkstoffen) und Gewürzen nach einer Apothekenordnung Handel trieben. In der Renaissance wurde vor allem durch den Arzt und Therapeuten die Suche nach neuen Heilmitteln gefordert. Im 17. und 18. Jahrhundert begannen viele deutsche Apotheken eine pharmazeutisch-chemische Forschung nach wissenschaftlichen Methoden zu betreiben.

Als es im 19. Jahrhundert möglich wurde, viele Arzneimittel synthetisch in großen Mengen herzustellen, entwickelten sich aus einigen Apothekenlaboratorien pharmazeutische Großbetriebe. Dadurch vollzog sich in den Apotheken eine bedeutungsvolle Umstellung: Die Herstellung von Arzneimitteln nach bestimmten Rezepturen aus verschiedenen Drogen im eigenen Labor trat zurück gegenüber der Verpflichtung und der Fähigkeit des Apothekers zur Prüfung der gekauften Arzneimittel auf ihre Güte und Brauchbarkeit. Die Apotheke entwickelte sich von einer Fabrikationsstätte hin zur letzten Kontrollinstanz aller Arzneimittel vor ihrer Abgabe an den Patienten und Kunden.

Gegenwärtig hat der Apotheker eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen zu beachten und ist wegen seiner erweiterten pharmakologischen und biochemischen Kenntnisse in der Lage, seine Kunden beim verantwortungsvollen Umgang mit Arzneimitteln eingehend zu beraten. Durch die Vielfalt der Fertigarzneimittel, die verschiedenen Anwendungsformen und die unterschiedlichen Wirkmechanismen gewinnt die Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker eine immer größere Bedeutung im Interesse des Patienten.

Diese Veränderungen im Apothekenwesen ist auch an der Löwen-Apotheke in Bergen nicht spurlos vorbeigegangen. Die umfangreiche Vorratshaltung einer Vielzahl von Medikamenten, die schnelle Beschaffung und Auslieferung, vor allem aber die eingehende Beratung der Kunden erforderten eine Umgestaltung der Räumlichkeiten und eine Erweiterung des Personalbestandes. Die Löwen-Apotheke gehört heute zu den unverzichtbaren mittelständischen Dienstleistungsbetrieben des Fleckens Bergen.

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Quellen:

  • Niedersächsisches Staatsarchiv Hannover (Auszüge aus Dokumenten, die für die Geschichte der Löwen-Apotheke in Bergen bedeutsam sind, wurden von Heinz Nährlich aus Bergen vorgenommen)
  • Kirchenbuch Bergen an der Dumme
  • Giftscheinbuch der Löwen-Apotheke Bergen an der Dumme (erste Eintragung am 08.10.1816, letzte Eintragung am 26.07.1976)
Text und Fotos: Hans-Georg Schemmann
Lea Sophie Schemmann
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